Samstag, 25. Februar 2012
Stimmen
Eine weise innere Stimme sagt "Nicht heimfahren.". Das sagt sie jedes Mal, das törichte Ding, und doch ist es morgen wieder soweit. Erfolgreich ausgeblendete Alltagsdetails schieben sich schon heute wieder leicht ins Blickfeld, man kann sie aber durch heftiges Blinzeln nochmal zurückdrängen. Und so stiehlt man sich noch einen wunderbaren Tag, an dem heitere, freundliche Menschen für einen sorgen, die saubere Wäsche aus dem Tischlein-deck-dich-Schrank kommt und man sich um nichts anderes als die gewünschte Tagesaktivität - Spazieren gehen + Sauna - kümmern muss.

Kein Wunder also, dass die leise, kleine Stimme an diesem Zustand festhalten möchte und nicht zurück will in den alltäglichen Wahnsinn, wo niemand Zeit und Lust und Nerven hat, auf ihre ständigen Zwischenrufe zu hören. Tröstend wirft die Hausherrin ein, dass es nicht nur dieser inneren Stimme so geht, ganz im Gegenteil, andere kleine Stimmen trifft es noch viel härter. Die müssen nämlich mit hässlichen, dunklen Leben zurechtkommen und unseres ist doch die allermeiste Zeit hell und schön. Weil wir erkennen können, wenn Menschen oder Orte gut für und zu uns sind.

Die Stimme schweigt jetzt und denkt über diesen Einwurf nach. Das ist eine ihrer guten Eigenschaften, sie ist immer aufgeschlossen für sachliche Argumente und auch nicht besonders penetrant. Sie lässt sich leicht beruhigen. Insgeheim glaube ich aber, dass die kleine Stimme ein eher sentimentales Naturell hat, das ist aber nur eine Annahme.

Und so denke ich, dass der Stimme die folgenden Zeilen von Karoline von Günderrode gefallen werden:

Das Leben ist uns doch aus der Hand genommen,
es wird für uns gelebt.
Ein Teil von uns lebt es stellvertretend
für den größeren anderen mit,
der im Halbschlaf gehalten wird
uns sich in den kurzen Augenblicken,
da er hellwach wird,
in Sehnsucht verzehrt.

Die Frau von Günderrode! Wollte immer frei sein und ihr Ding machen, nur leider war sie ihrer Zeit da um Längen voraus. Konsequenterweise ging sie dann auch irgendwann, von einer unglücklichen Liebe gequält, in die Wasser des Rheins. Vorher erdolchte sie sich noch. Ein stilvoller Abgang. Davon könnten sich andere Jammerlappen gerne eine Scheibe abschneiden.

Wenn das mal nicht eine schöne Geschichte für eine unzufriedene, sentimentale, innere Stimme ist!

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