Donnerstag, 7. Februar 2013
(Be-)Rührung
Inzwischen gehört es ja fast zum guten Ton, am letzen Arbeitstag vor dem Urlaub erste Krankheitssymtome zu spüren, so auch gestern. Heute hat man Halsschmerzen und Husten und musste deshalb den geplanten Sauna-Entspannungs-Tag kurzfristig knicken. Man will ja bis zum Winterurlaubsstart am Sonntag wieder fit sein, also kein Fitness-Training und keine Sauna.

Weil man aber ja nicht todkrank ist und den freien Tag ganz ohne männlichen Anhang – also frei im wahrsten Sinne des Wortes! - nicht ganz verplempern will, beschließt man, sich um eine neue Brille zu kümmern. Das steht schon länger an, aber weil man unweiblicherweise weder gerne Klamotten, noch Schuhe oder eben Brillen einkauft, wurde dieses Vorhaben immer wieder verschoben.

Also nichts wie rein in die große innenstädtische Einkaufspassage, wo es auch eine Filiale des großen deutschen Optikers gibt.

Zur Stärkung und Motivation – ich shoppe wirklich, wirklich nicht gerne! – noch auf ein kleines Frühstück zum Leckerbäcker, der glücklicherweise auch eine Filiale in der Mall hat.
Und während ich da sitze und meine Semmel mit Honig bestreiche und meinen köstlichen Milchkaffee trinke – Sie merken, ich esse wesentlich lieber als ich shoppe – kommt eine größere Gruppe behinderter Jugendlicher mit ihren Betreuern herein und sucht nach Plätzen. Die Jugendlichen sind in etwa so alt wie der Sohn. Ein bunt zusammengemischter Trupp, manche sind geistig behindert, manche sitzen in Rollstühlen und einige sind mehrfach behindert. So auch ein junges Mädchen, das seinen eigenen jugendlichen Betreuer – einen Zivi oder wie das jetzt heißt - dabei hat, der den großen Rollstuhl mit Kopfstütze schiebt. Und sobald der Rollstuhl an seinem Platz am Kaffeetisch steht, setzt sich der junge Mann neben das Mädchen, nimmt dessen Hand und lässt diese nicht mehr los. Die anderen Jugendlichen bekommen Butterbrezen und wahlweise Kakao oder Fanta und freuen sich sichtlich darüber. Das Mädchen im Rollstuhl kann wohl nicht auf normalem Wege essen und auch nicht sprechen, aber es sitzt mit den anderen am Tisch und der blutjunge Betreuer in Chucks und ähnlicher Snowboardjacke, wie sie mein Teenager auch hat, hält die ganze Zeit über ihre Hand. Diese Geste berührt mich unglaublich. Weil es so selbstverständlich ist, wie er da sitzt, mit der freien Hand seinen Kaffee trinkt und mit der anderen Hand das Mädchen hält. Weil auch die anderen Betreuer so lieb zu den Jugendlichen sind und diese sich so sehr über ihre Breze und das Getränk freuen, dass man erahnen kann, dass das kein alltäglicher Ausflug ist. Und weil die ganze Mannschaft ohne großes Aufsehen zu erregen einfach in mitten der anderen Gäste, von denen einige hilfsbereit zusätzliche Stühle anbieten, sitzt.

Wahrscheinlich war diese Szene beruhigender, als es ein Wellnesstag hätte sein können. Weil sie in kürzester Zeit vieles relativiert hat. Einfach durch die eine Hand, die die andere Hand nicht loslässt. Und mich auch nicht.

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Leave them kids alone
Wir haben uns vor fünf Jahren für eine weiterführende Schule für den Teenager entschieden, welche keinen besonders guten Ruf hat. Ein Gymnasium mit rund 1.300 Schülern, das für seine Friss-oder-stirb-Pädagogik bekannt ist. Ausschlaggebend für diese Wahl waren die Nähe zum Wohnort und die Tatsache, dass der Sohn keine erkennbare musische Begabung hat, welche für den Besuch einer der besser gerankten Schulen in der Großstadt gesprochen hätte. Der wesentlich weitere Schulweg schien uns nicht gerechtfertigt. Außerdem gehen viele Kinder aus dem kleinen Dorf auf unser Gymnasium und dieser soziale Aspekt war und ist uns besonders wichtig. Dem Sohn auch.

Zudem war Mama Hysti noch nie Anhängerin einer wie auch immer gearteten Kuschelpädagogik. Wenn im Kindergarten und in der Grundschule die anderen Muttis schon am Weinen waren, hat Frau Hysti noch milde gelächelt und gemeint, da müssten die lieben Kleinen halt durch, weil alles ja gar nicht so schlimm und das Leben sowieso ein hartes ist, also besser gleich daran gewöhnen.

Diese Einstellung sollte eigentlich eine gute für das oben genannte Gymnasium sein, aber nach inzwischen 4 ½ Jahren Elternerfahrung auf dieser Schule habe selbst ich die Schnauze gründlich voll. Denn leider, leider hat sich die Vorhersage, dass die Schule überdurchschnittlich viele verbeamtete Psychopathen auf die Schüler loslässt, als wahr erwiesen. Während ich mich in der Unterstufe noch ganz gut beherrschen konnte, und mich mit dem Argument, auch im späteren Leben treffen die Kinder auf Arschlöcher, sie müssen lernen, damit umzugehen, beruhigt habe, ist jetzt so langsam Schicht im Schacht.

Die aktuelle Englischlehrerin des Sohnes ist dermaßen gestört, dass sie ganz offiziell in der Unterstufe nicht mehr eingesetzt wird, weil sie zu den Kleinen so böse ist. In der Oberstufe wird sie auch nicht mehr eingesetzt, weil sie den Jugendlichen massenhaft das Abi versaut. Also nur noch Mittelstufe, und da hat`s jetzt den Sohn erwischt. Der verliert trotzdem seinen Humor nicht und fühlt sich bei der Lehrerin ständig an den unvergleichlichen Heath Ledger als Joker erinnert, also an Wahnsinn in seiner schauerlich-schönsten Form. Wir haben desweiteren Bekanntschaft mit einem kurz vor der Pensionierung stehenden Religionslehrer gemacht, der ständig die pubertierenden Mädchen durch Bemerkungen über ihre Ausschnitte in arge Verlegenheit bringt, und das schon seit Jahrzehnten. Die derzeitige Klassleiterin des Sohnes beleidigt die Schüler regelmäßig (Idioten, Monster, arschlochmäßiges Verhalten) obwohl andere Lehrer kein Problem mit der Klasse haben. Die von der Klassenleiterin erzwungene Hospitation von Rektor und Konrektor – zum Glück beide bodenständige, vernünftige Männer – hat keinen Grund zur Beanstandung des Verhaltens der Kinder gegeben. Die Rektoren wissen wahrscheinlich auch, wer bei diesem Konflikt das eigentliche Problem ist.
Diese Lehrerfreakshow ließe sich immer weiter fortführen. Und dabei handelt es sich bedauerlicherweise nur im die Psychos. Die netten, aber total unfähigen Kandidaten wurden noch gar nicht berücksichtigen. Diese besondere Unterart des gemeinen Lehrers zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich ein – in schlimmeren Fällen auch zwei - Jahre lang recht unauffällig verhält. Das böse Erwachen kommt dann erst beim Lehrerwechsel in der nächsten Jahrgangsstufe. Nämlich genau dann, wenn der neue Lehrer auf die unglaublichen Wissenslücken stößt, die sein Kollege hinterlassen hat. Ich hatte jetzt schon in drei Hauptfächern Lehrergespräche, wo mir mehr oder weniger unverblümt gesagt wurde, dass die Lücken der Kinder (Klassenstärke!) im laufenden Unterricht nicht mehr geschlossen werden können. Ja, und jetzt?!? Jetzt wird das Problem ohne große Umstände direkt an die Elternhäuser weitergereicht, die die Suppe je nach Bildungs- und Kontostand mehr oder weniger gut auslöffeln können. Dabei waren die Kinder ja die letzten Jahre nicht auf Sabbatical, sondern sind Tag für Tag zur vermeintlichen Wissensvermittlung in die Schule getrabt. Wenn dann plötzlich Wissenslücken so tief wie der Marianengraben in Klassenstärke vorhanden sind, sollte vielleicht auch mal in Kreisen der Lehrenden und noch viel mehr bei deren Dienstherren die Zeit der Selbstreflektion beginnen.

Verbeamtete Lehrer dürfen nicht ohne regelmäßige Kontrolle der fachlichen und persönlichen Eignung eingesetzt werden. Es kann doch nicht sein, dass jemand ohne jedwede persönliche Konsequenz über Jahre hinweg weder Lehrstoff- noch Erziehungsziel erreicht. Wer in der freien Arbeitswelt Mist abliefert, ist schneller weg, als er Piep sagen kann. Unsere Freaks werden Monat für Monat recht ordentlich bezahlt, denn solange sie sich zu keiner Straftat hinreißen lassen, passiert ihnen nichts und der Entrüstungssturm der aufgebrachten Eltern lässt sie kalt. Der kommt ja Jahr für Jahr wieder, man hat sich inzwischen damit arrangiert.

Natürlich gibt es auch die Guten. An denen hängen die Jugendlich sehr, gerade die hormongebeutelten Mittelstufenschüler sind regelrecht angewiesen auf moralische Unterstützer in der Schule. Ich habe das Gefühl, dass unser sehr geschätzter Konrektor seine Lehrernieten bei der Stundenplanerstellung gerecht verteilt, mehr als zwei gleichzeitig hatten wir noch nie. Und für jede Niete gibt es dann auch wieder ein Lehrersahnehäubchen, deshalb geht die Sache dann im Großen und Ganzen wieder in Ordnung.

Zum großen Glück ist der Teenager eine rechte Frohnatur, Freakkontakt prallt meist an ihm ab. Manchmal sogar mehr als an seiner Mutter. Frau HYSTI, Sie erinnern sich.

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